Stand Oktober 2022
Mit Urteil vom 07.07.2022, Az.: 5 Sa 461/21 entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG), dass die Kündigung einer medizinischen Fachangestellten wegen Verweigerung der Impfung gegen Covid-19 rechtmäßig war.
Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus der Maximalversorgung. Die Klägerin, eine 35-jährige medizinische Fachangestellte, arbeitete seit dem 01.02.2021 bei der Beklagten. Die Klägerin wurde auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt. Von den 3.100 Arbeitnehmern waren bis Mitte November 2021 insgesamt 250 nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft. Das Impfangebot der Beklagten nahm die Klägerin nicht an, weil sie sich nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen wollte. Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 22.07.2021 die ordentliche Kündigung aus.
Das LAG hielt die Kündigung der Beklagten für wirksam und verwies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Infektionsschutzgesetzt (IfSG) für Krankenhauspersonal geregelte Pflicht zur COVID-19-Schutzimpfung rechtmäßig ist. Diese gesetzliche Impfpflicht gilt allerdings erst ab dem 16.03.2022.
Es sei insoweit jedoch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte schon vor dem Stichtag 15.03.2022 nur noch gegen SARS-CoV-2 geimpftes Pflegepersonal beschäftigen wollte. Schließlich durfte die Beklagte aufgrund des Schutzes der Patienten und der übrigen Beschäftigten das Anforderungsprofil an die Mitarbeitenden schon frühzeitig so ausgestalten, dass in dem Krankenhaus nur noch geimpftes Pflegepersonal beschäftigt ist, so das LAG.
Gleichwohl habe die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung auch nicht gegen das Maßregelverbot nach § 612a BGB verstoßen. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Vereinbarung oder Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Norm erfasst einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit.
Das Benachteiligungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob er ein Recht ausüben will oder nicht. Diese Entscheidung soll er ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers treffen können.
Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Als Maßnahme iSd. § 612a BGB kommen auch Kündigungen in Betracht (vgl. BAG 18.11.2021 – 2 AZR 229/21 – Rn. 28 mwN).
Von einer Sittenwidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot (§§ 134, 612a BGB) sei nach Ansicht des LAG bereits nicht auszugehen, weil die Arbeitnehmerin nicht zu einer Impfung gezwungen worden sei.
Hinzu kommt, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis selbst hätte kündigen können.
Der Beklagten sei nicht vorzuwerfen, dass sie im Spannungsfeld zwischen den Individualrechten der Klägerin und ihren Schutzpflichten gegenüber den Patienten sowie der übrigen Belegschaft das Arbeitsverhältnis unter Verweis auf die fehlende Impfbereitschaft gekündigt hat, so das LAG.